Flo Baumgartner, Geschäftsführer und Marketingexperte von der Werbeagentur Die Gipfelstürmer, blickt auf zehn Jahre Selbstständigkeit zurück.
WIE SPRINGT MAN IN DIE SELBSTÄNDIGKEIT? WAS IST DER ANREIZ? WIE IST ES, 10 JAHRE SPÄTER NOCH IMMER „SELBST UND STÄNDIG“ ZU SEIN?
Meine erste Rechnung habe ich 2012 geschrieben, als ich während meiner Tätigkeit beim Regionalfernsehen eine Anfrage bekam für Life Radio ein Event zu moderieren. Aus einem Event wurden viele Events und so nahm es parallel zum Angestelltenverhältnis seinen Lauf. Nach einem weiteren Intermezzo bei Welle 1 Music Radio, als Host der Morning Show, wo ich noch mal einen fixen Arbeitsvertrag hatte, wusste ich: Jetzt oder nie! Ich marschierte in jedes Radio- und TV-Haus in Österreich, stellte mich als Redakteur, Reporter und Moderator vor.
Die ersten regelmäßigeren Aufträge kamen von einer Produktionsfirma, die für ATV Aktuell produzierte. Die BTV Sportsendung unterstützte mich und plötzlich moderierte ich die Kronehit Show @Clubs aus den größten Diskotheken des Landes. Als Werbesprecher konnte ich mir ein zusätzliches Standbein aufbauen. „Voiceover Artist“ bin ich heute noch. Ich vertone aktuell Spots für TV, Radio, Kino und mehr – direkt in unserem Art Room.
WIE WURDE AUS SELBSTÄNDIG FLO, SELBSTÄNDIG AGENTUR?
Gute Frage. Ein Gespür für Marketing und kreative Konzepte hatte ich schon immer. Themen wie Inszenierung, Positionierung und Vermarktung interessierten mich bereits in der Schule. Bei manchen TV-Stationen durfte ich meine Kreativität auch in der Formatentwicklung einbringen. Und Social Media war auch ein wichtiger Teil von diesem Entwicklungsprozess. Ich hatte schon immer wieder mal auch bei der Umsetzung von Social-Media-Konzepten der einen oder anderen Firma in der Region mein Wissen zur Verfügung gestellt und parallel den Facebook-Channel von BTV auf über 20.000 Follower aufgebaut.
Ein paar Imagefilme durfte ich konzipieren, eine Doku für den ORF gestalten, meine Sicht bei Webprojekten einbringen und so weiter. Das alles deutete schon sehr in die Richtung, die ich dann auch eingeschlagen habe. Wenn man allein als Selbständiger ist, bewegt man sich halt in so einem Tunnel, bekommt auch keine zweite Meinung. Dann lernte ich meinen heutigen Geschäftspartner David Leitner kennen, und zwar über private Umstände.
Unsere Verlobten sind Schwestern. David hatte das Kleingewerbe schon angemeldet und sich als Grafiker in und um Vöcklamarkt bereits einen kleinen Kundenstamm aufgebaut. Dazu hatte er auch ein gutes Gespür für WordPress, das Content-Management-System, mit welchem wir die Webentwicklung machen. Wir haben also nichts anderes gemacht, als unsere Kräfte zu einer Agentur zu bündeln und aus zwei Selbständigen eine OG gegründet. Die Werbeagentur Die Gipfelstürmer OG.
Dass alles so einen coolen Lauf nimmt, mit dem hatte ich auch nicht gerechnet. Wir waren am 1.1.2019 zu zweit, heute sind wir ein stolzes Team von acht Personen mit verschiedenen Schwerpunkten wie Grafik, Web, Video, Social Media. Ich bin für die strategische Markenentwicklung unserer KundInnen zuständig und auch als Projektmanager Ansprechpartner für einen Teil unseres Kundenstamms.
Tipps für junge Selbstständige?
Kühlen Kopf bewahren und nicht bei jeder Idee gleich an den großen Erfolg glauben. Es wird heutzutage oft suggeriert, dass der Weg in die Selbständigkeit ein leichter wäre. De facto bleibt es nie bei einer 40-Stunden-Woche, geschweige denn bei einer Vier- oder Fünf-Tage-Woche . Auch das Umfeld ist hier sehr wichtig und muss verständnisvoll sein, wenn man mal am Samstagvormittag ein paar Stunden in der Firma verbringt oder spätnachts noch an Projekte denkt. Hier übrigens mein Tipp, wie ich da ein bisschen runterkomme: Sport.
Drei bis vier Mal in der Woche gehe ich entweder laufen, zum Fußball bei der Union Gampern oder zum Crossfit in den Delta Sportpark. Gerade wenn ich gegen 19 Uhr aus dem Büro gehe und anschließend trainiere, kann ich den Kopf perfekt abschalten. Wichtig ist auch noch, ein gutes Netzwerk zu haben und sich viele Tipps von anderen jungen Selbständigen zu holen. Die Förderung vom AMS und dem Land Oberösterreich für den ersten Mitarbeiter, die erste Mitarbeiterin ermöglicht hier einen guten Start mit einer großen Fördersumme.
Als Vorsitzender der Jungen Wirtschaft Vöcklabruck stehe ich gerne mit Rat und Tat zur Seite, auch wenn es um den Gedanken der Gründung geht. Um an meinen Satz zu Beginn anzuschließen: Es ist wichtig, kühlen Kopf zu bewahren, und es ist aber auch wichtig dranzubleiben, wenn die Entscheidung zur Selbstständigkeit gefallen ist. Als UnternehmerIn sollte man auch seine Finanzen im Blick haben. Als Geschäftsführer einer natürlichen Person habe ich quasi immer, wenn ich 100 Euro eingenommen habe, 50 Euro beiseitegelegt, um für Sozialversicherung und Einkommenssteuer, gerüstet zu sein. So bin ich auch bei Erhöhungen oder Nachzahlungen nie in Bedrängnis gekommen.
UND WIE GEHT’S WEITER MIT DER SELBSTÄNDIGKEIT?
Wir planen in Quartal zwei einen neuen Schritt, welcher jetzt über ca. 18 Monate herangereift ist und mit unseren Steuer- und Rechtspartnern wohl überlegt wurde. Wir werden die OG zu einer GmbH umgründen. Beide Modelle haben Vor- und Nachteile. Im Longrun sehe ich allerdings mit einer GmbH bessere Gestaltungsmöglichkeiten. Dazu möchte ich ein Versprechen unseren MitarbeiterInnen gegenüber einhalten. Mit der GmbH besteht eine coole Möglichkeit der steuerfreien Mitarbeitererfolgsbeteiligung von bis zu 3.000 Euro pro Nase und Jahr. Das soll in Zukunft eine kleine zusätzliche Motivationsspritze werden.